Die Visionssuche entfaltet ihre Wirkung als Ritual. Nachdem Rituale in den vergangenen Jahrzehnten eher mit Misstrauen betrachtet und abgelehnt wurden, werden sie heute als soziales und psychologisches Werkzeug wiederentdeckt und in der Pädagogik, in menschlichen Wachstumsprozessen, in der therapeutischen Arbeit, in der Kommunikation und bei Konfliktregelungen eingesetzt.
In Ritualen wird durch bestimmte Handlungen und Zeremonien ein besonderer Erlebnisraum geschaffen, der mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden kann. Ein Ritual trennt den Menschen von seinem gewohnten Alltag mit seinen Zwängen und Begrenzungen. Dadurch wird das Ritual zu einer Art ‚Auszeit‘, die es möglich macht, in Kontakt zu unserem Wesenskern zu treten und seine Botschaften zu empfangen. Hier kann gesagt, erfahren, getan und erprobt werden, was im Alltag keinen Platz hat oder sanktioniert ist, hier kann man sich seinen inneren Bildern und Emotionen stellen, hier können bestehende Grenzen erkannt, behutsam erweitert und neue Räume erschlossen werden.
Der afrikanische Heiler Malidoma Some weißt darauf hin, daß “ein Ritual immer dann erforderlich wird, wenn die Seele uns etwas sagen will, was der Körper als eine psychische Not, einen Mangel, ein Bedürfnis übersetzt: Wir treten also in ein Ritual ein, um auf den Ruf der Seele zu antworten”. (Malidoma Some, Der Geist Afrikas).
Im Ritual der Visionssuche wird ein geistiger Sterbe- und Wiedergeburtsprozess durchschritten. Dieser Prozess wird von Visionssuchenden nicht kontrolliert gestaltet, sondern erlebt, erfahren und durchlitten. Die Struktur des Rituals bietet den Rahmen dafür. Er besteht in dem bewussten Heraustreten aus dem gewohnten Alltag und dem Übertritt in eine Schwellenwelt, in der der Teilnehmende mit sich und der Natur alleine ist, sich mit seinem Leben kreativ auseinandersetzt, eigene Zeremonien entwickelt, um den Wandel, den er vollziehen will, zu bestärken und dann bewusst in seine Alltagswelt zurückkehrt.
Mit dem Ritual wird eine Struktur für den Wandel angeboten: “Die Visionssuche ist nichts als ein Kreis, der in den Staub gezogen wird, eine leere Form, die dann mit den Wahrnehmungen und Werten des Kandidaten gefüllt wird”, sagt Steven Foster. “Sie ist ein Spiegel, in dem man sich selbst entdecken kann.” Darin ist für jede/n Teilnehmende/n die Visionssuche einzigartig und wird getragen von seinen oder ihren innersten persönlichen Anliegen.
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