Vorbereitung auf die Auszeit
Ich gehe hinaus auf das Land mit der Aufgabe, einen Ort in der Natur zu suchen, der uns unsere tiefste Wunde spiegelt.
Ich bin in Gedanken noch ganz bei unserer letzten Gruppen-Runde. Mit dem Begriff „Drache“ wurden hier immer wieder unsere Schattenaspekte bezeichnet. Für mich aber sind Drachen die Hüter der Erdmysterien, ein Bild für weibliche Wege der Spiritualität. Beide wurden in den Jahrtausenden des Patriarchats im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt. Ich fühle immer wieder einen tiefen Schmerz darüber.
Während ich noch diesen Gedanken nachhänge, liegt plötzlich vor mir auf der staubigen Landstraße ein kleiner überfahrener „Drache“, eine Eidechse. Ich bin tief berührt. Es ist wohl tatsächlich diese Wunde, die heute für mich Thema sein soll. Die Vorgabe war, an dem Platz, der unsere tiefste Wunde spiegelt, zu verweilen, damit in Kontakt zu gehen, zu spüren. Aber wenn ich jetzt hier am Straßenrand sitzen bleibe, fährt das nächste Auto wieder über den „Drachen“, ich sitze in einer Wolke von Dreck und der Fahrer denkt sich wahrscheinlich: „Die hat sie ja nicht alle.“ Ich muss schmunzeln, als mir bewusst wird, wie sinnhaft diese drei Punkte für weibliche Spiritualität und mein Verhältnis zu ihr sind. Ich beschließe, einen anderen Platz für diese Meditation zu suchen und nehme den kleinen toten „Drachen“ mit.
Der „Zufall“ führt mich in einen erloschenen Vulkankrater. Das Gefühl, hier wie auf einem „Pfropfen“ zu sitzen und der Gedanke, dass es unter mir direkt hinunter geht bis hinein in die brodelnde Magma, dass sich diese Ur-Gewalt jeden Moment wieder entladen könnte, beängstigt und fasziniert mich zugleich. Und der kleine tote „Drache“ liegt neben mir auf dem Kraterboden und verströmt einen leicht süßlichen Verwesungsgeruch …
In der zweiten Nacht meiner Auszeit drängt dieses Erlebnis mit Macht erneut in mein Bewusstsein … ich fühle den Vulkan mit dem „Pfropfen“ als einen Teil von mir… und ich weiß, dass ich genau deshalb hierher gekommen bin: wieder Zugang zu dieser Vulkankraft, dieser Ur-Kraft in meinem eigenen Inneren zu bekommen und das Geheimnis des „kleinen toten Drachen“ zu ergründen, der diesen Zugang blockiert – um jeden Preis!
Maria 60
Was soll besser werden?
Da war einfach nichts